Die lange Reise des Yoga: Vom Hippie-Trend zur anerkannten Gesundheits-Praxis

Jetzt ist es also amtlich. Wieder einmal. Yoga ist auch aus wissenschaftlicher Sicht gut für die Gesundheit. Zuletzt gab es gleich mehrere Berichte über wissenschaftliche Studien, die Yoga auf dem Weg von einem Hippi-Trend zu einer anerkannten Gesundheits- und Fitness-Praxis ebnen können, unter anderem bei Spiegel-Online und bei Focus online

Yogis rollen mit den Augen ob des überraschend klingenden Tonfalls in den Berichten. Schließlich gibt es fundierte Studien zum Thema bereits seit Jahrzehnten. Erste fundierte wissenschaftliche Studien stammen aus den frühen 2000er-Jahren.

Für alle jene, die (noch) nicht so tief im Thema sind: Hier ein Blick zurück. Und: ein Blick in die Gegenwart des Yoga mit einem kleinen Ausblick.

Wo kommen wir eigentlich her, mit unserem Yoga?

Der Ursprung von Yoga ist wirklich interessant und reicht Jahrtausende zurück in die indische Geschichte. Der Sinn war damals wie heute die Harmonisierung von Körper, Geist und Seele sowie die Vorbereitung auf die Meditation.

Yoga hat seinen Weg aus Indien in den Westen gefunden und hat hier einige Entwicklungen durchlaufen. In den 1960er Jahren wurde Yoga von Hippies und spirituellen Suchern als exotische Praktik entdeckt und mit Gegenkulturen und Drogenkonsum in Verbindung gebracht. In den 1980er Jahren gab es den ersten fundamentalen Wandel, als Yoga von der Wellness-Industrie entdeckt und aufgegriffen wurde. Yoga-Studios ploppten vor allem in den Großstädten auf, Yoga-Lehrer begannen mit professionellen Schulungen, die Praktik aus der spirituellen Ecke herauszuholen. Seitdem hat Yoga eine beispiellose Verbreitung in der Mainstream-Medizin und Gesundheitsindustrie gefunden, da immer mehr Studien die Vorteile bei der Bewältigung von körperlichen und psychischen Erkrankungen belegen.

Das Ziel von Yoga, ein Gleichgewicht zwischen Körper, Geist und Seele zu finden, ist nach wie vor von zentraler Bedeutung. Und wird von Menschen sämtlicher Kulturen als ausgesprochen wohltuend, ja geradezu helfend empfunden. Das individuelle, ganz persönliche Empfinden untermauert die Studien- und Forschungsergebnisse.

Wie sieht Yoga heute in Indien aus?

Die Wurzeln des Yoga gehen auf die Veden zurück, die heiligen Schriften des Hinduismus, die zwischen 1500 und 500 v. Chr. niedergeschrieben wurden. In den Veden gibt es zahlreiche Hinweise auf Yogapraktiken, insbesondere auf Atemübungen und Meditation.

Die bekanntesten Schriften, die Yoga beschreiben, sind die Yoga-Sutras des indischen Gelehrten Patanjali aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. Diese Sutras beschreiben das Yoga als einen achtfachen Pfad, der den Körper, den Atem, die Sinne, den Geist und die Seele umfasst. Der achtfache Pfad besteht aus Yama (Einhaltung ethischer Grundsätze), Niyama (persönliche Disziplin), Asana (Körperhaltungen), Pranayama (Atemübungen), Pratyahara (Rückzug der Sinne), Dharana (Konzentration), Dhyana (Meditation) und Samadhi (Erleuchtung).

In Indien war Yoga für einen längeren Zeitraum lediglich als Vorbereitung auf die Meditation gedacht. Darüber hinaus nutzten in Indien meistens nur jene Menschen die Übungen, die sich intensiv mit der indischen Spiritualität beschäftigten. Erst im späten 19. Jahrhundert und Anfang des 20. Jahrhunderts begann Yoga in Indien an Bedeutung zu gewinnen, als indische Gelehrte wie Swami Vivekananda und Sri T. Krishnamacharya begannen, Yoga im Westen zu unterrichten und damit zu einer größeren Verbreitung von Yoga in Indien beitrugen.

Heute ist Yoga in Indien so weit verbreitet, wie es nur sein kann und ist ein wichtiger Teil der indischen Kultur und Gesellschaft. Yoga wird in vielen Schulen und Universitäten gelehrt und hat sich zu einem wichtigen Exportprodukt Indiens entwickelt. Zahlreiche Yogazentren und Ashrams in ganz Indien ziehen Menschen aus der ganzen Welt an, die auf der Suche nach spiritueller Erleuchtung und körperlichem Wohlbefinden sind.

Yoga im Westen: Die Hippie-Bewegung und der Beginn der Mainstream-Verbreitung

In den 1960er Jahren war Yoga im Westen nicht mehr als eine exotische Praktik für Hippies und spirituelle Sucher. In diesem Kontext wurde Yoga oft mit Drogenkonsum und Gegenkulturen in Verbindung gebracht. Yogalehrer wie Richard Hittleman und Lilias Folan machten Yoga durch ihre Fernsehshows und Bücher allmählich auch einem breiteren Publikum zugänglich, wobei sie einen Fokus auf körperliche Fitness und Flexibilität legten.

In den 1980er Jahren wandelte sich das Bild von Yoga in der öffentlichen Wahrnehmung noch einmal deutlich, als die Fitness-Industrie merkte, dass mit Yoga Geld zu verdienen ist. Zu dieser Zeit begannen auch die ersten wissenschaftlichen Untersuchungen, die die positiven Auswirkungen von Yoga auf die körperliche und psychische Gesundheit belegten. Yoga wurde nun vermehrt als eine Praktik für körperliches und geistiges Wohlbefinden anerkannt und fand allmählich seinen Weg in die Mainstream-Gesellschaft.

In den 1990er Jahren begannen auch viele Fitnessstudios, Yoga-Kurse anzubieten, und Yoga wurde von Prominenten wie Madonna und Sting popularisiert. Von Hatha-Yoga über Vinyasa-Yoga bis hin zu Bikram-Yoga und Kundalini-Yoga gibt es heute unzählige Varianten, die an unterschiedliche Bedürfnisse und Fähigkeiten angepasst sind. Ausnehmend interessant ist auch Iyengar-Yoga, das vom Yoga-Lehrer B. K. S. Iyengar erdacht wurde, der 2004 laut Time Magazine zu den 100 einflussreichsten Menschen der Welt zählte. Das Besondere am Iyengar-Yoga ist der im Yoga ansonsten unübliche Einsatz von Hilfsmitteln, den s. g. Yoga-Props.

Trotz der Verbreitung und Kommerzialisierung im Westen bleibt Yoga fest in der indischen Spiritualität und Philosophie verwurzelt. Viele Yogalehrer und -praktizierende betonen auch heute die Bedeutung von Achtsamkeit, Meditation und Selbstreflexion, um eine Verbindung zwischen Körper, Geist und Seele herzustellen – trotz Fitness-Trends, trotz westlicher Einflüsse, die mitunter eher Trends folgen als den echten, indischen Wurzeln.

Wie viele Menschen betreiben in Deutschland Yoga?

Genaue Zahlen über die Anzahl der Yogis gibt es nicht, zumal nicht wenige ihre Übungen ohne Anbindung an z. B. ein Yoga-Studio machen (z. B. über Online-Angebote). Es wird geschätzt, dass in Deutschland mehrere Millionen Menschen regelmäßig Yoga praktizieren, mit steigender Tendenz. Laut einer Umfrage des Statistikportals Statista im Jahr 2020 gaben 22 Prozent der Befragten an, regelmäßig Yoga zu machen. Eine weitere Umfrage im Jahr 2021 von der Techniker Krankenkasse ergab, dass 27 Prozent der Befragten angaben, Yoga zu praktizieren oder es zumindest ausprobiert zu haben. Die Zahlen sind beide nicht repräsentativ, weisen aber einen eindeutigen Trend auf.

Yoga als Therapieform: Die wissenschaftliche Anerkennung von Yoga

In den letzten Jahrzehnten gab es noch einmal einen weiteren Schub hinsichtlich nicht nur der öffentlichen Wahrnehmung auf Yoga, sondern auch aus Sicht der etablierten Forschung. Yoga entwickelte sich auch in der westlichen, wissenschaftlich-basierten Wahrnehmung zu einer anerkannten Therapieform und wird mittlerweile von mehreren Gesundheitsorganisationen, darunter die American Psychological Association und dem National Center for Complementary and Integrative Health, empfohlen. Mehr und mehr ist unstrittig, dass Yoga eine Vielzahl von positiven Auswirkungen auf die körperliche und psychische Gesundheit haben kann.

Einige der zentralen Studienergebnisse sind: 

In Bezug auf die körperliche Gesundheit kann Yoga dazu beitragen, den Blutdruck und das Cholesterin zu senken, das Immunsystem zu stärken und Schmerzen bei verschiedenen Erkrankungen wie Arthritis und Rückenschmerzen zu lindern. Durch regelmäßige Praxis von Yoga können auch Beweglichkeit, Balance und Muskelkraft verbessert werden. Auf der psychischen Ebene kann Yoga dazu beitragen, Stress, Angst und Depression zu reduzieren, das Selbstbewusstsein zu stärken und die geistige Klarheit und Konzentration zu verbessern. Yoga-Praktiken wie Atemübungen, Meditation und Entspannung können auch dazu beitragen, die emotionale Stabilität zu fördern und das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern.

Aufgrund dieser positiven Auswirkungen wird Yoga nun von vielen Therapeuten als Ergänzung zu traditionellen Behandlungsmethoden eingesetzt. 

Yoga-Therapie kann grundsätzlich bei verschiedenen Erkrankungen eingesetzt werden, darunter Angststörungen, Depressionen, posttraumatische Belastungsstörungen, Krebs, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Yoga kann auch in der Rehabilitation von Verletzungen und Operationen eingesetzt werden, um die Genesung zu unterstützen und die Schmerzen zu lindern.

Halten wir fest: 

Yoga kann ohne Zweifel dazu beitragen, die körperliche und psychische Gesundheit zu verbessern. Die wissenschaftliche Anerkennung von Yoga hat dazu beigetragen, dass es heute als eine anerkannte Therapieform angesehen wird und von vielen als wichtiger Bestandteil eines gesunden Lebensstils betrachtet wird.

Mal sehen, ob diese Sicht auf Yoga nachhaltig ist oder ob wir in ein paar Jahren weitere Studien benötigen, um das Offensichtliche zu etablieren.


ÜBER DEN AUTOR

Erst über Umwege fand Leon, Betreiber dieses kleinen Yoga-Blogs, zum Yoga: Gesundheitliche Probleme zwangen zu einer Umstellung der Ernährung sowie zu mehr Achtsamkeit mit dem Körper – ein Glücksfall, wie sich herausstellen sollte.